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Der Immobilienmakler heute – Seine Aufgaben, Herausforderungen und Eigentümer Kontakte

Dr. Langenberg:
Sehr geehrter Herr Böhm. Herzlichen Dank, dass Sie sich etwas Zeit für uns nehmen, um zum Thema Immobilienmakler zu sprechen. 
Jürgen Böhm:
Sehr gerne. 
Dr. Langenberg:
Ende der 1990er Jahre haben Sie Immobilienscout24 mitgegründet. Heute ist Immobilienscout24 als Instrument für Immobilienmakler fast nicht mehr wegzudenken. Warum?
Jürgen Böhm:
Im Kern haben wir es damals geschafft, für alle Beteiligten ein tolles Produkt zu bauen. Der Immobilienscout bedient die Immobilienmakler und privaten Verkäufer und Vermieter auf der einen und die Immobilien-Käufer und Mieter auf der anderen Seite.
Allerdings ist der Immobilienscout nicht das einzige Allheilmittel für Immobilienmakler. Es gibt neben dem Immobilienscout viele andere tolle Produkte auf dem Markt. Gerade in der heutigen Zeit mit Apps, Social Media, Artificial Intelligence und Blockchain kommen jeden Monat neue Spieler, Produkte und Angebote dazu.
Dr. Langenberg:
Das klingt jetzt sehr einfach. Sie haben damals harte Überzeugungsarbeit leisten müssen. Ein Online-Marktplatz für Immobilien war neu. Ihre Arbeit wurde skeptisch verfolgt, insbesondere von Immobilienmaklern.

So veränderte Immobilienscout24 die Arbeit des Immobilienmaklers

Jürgen Böhm:
Versetzen Sie sich einfach mal 20 Jahre zurück. Stellen Sie sich Hr. Mustermann vor, der über den Jahreswechsel beschloss, sein privates Haus in München zu verkaufen. Was hatte Herr Mustermann für Möglichkeiten?
  1. Er konnte den Verkauf selbst durchführen. Aber ohne Internet, ohne Datenquellen für die Einwertung seines Hauses und ohne Zugang zu Käufern ein nicht ganz einfaches Unterfangen
  2. Er konnte in das Büro des Immobilienmaklers vor Ort marschieren und den Verkaufsauftrag erteilen. Aber ohne Internet, ohne Bewertungen und ohne Referenzen auch nicht einfach für Hr. Mustermann zu entscheiden, ob der Immobilienmakler die richtige Wahl ist.
Für Immobilienmakler eine fast perfekte Situation: 
  • Potentielle Immobilienverkäufer, die nur 1x im Leben ein Haus oder eine Wohnung kaufen oder verkaufen. 
  • Im Vergleich zu heute ganz schwierige Bedingungen als Nicht-Profi den Verkaufspreis einer Immobilie richtig einzuschätzen bzw. an Käufer heranzukommen.
Für Immobilienmakler ein vermeintlich einfaches Spiel:
  • Ein Office direkt an der Hauptstrasse im Ort mit einer möglichst großen Auslage. 
  • Auf den Werbetafeln im Ort die größten Flächen, und 
  • in der lokalen Tageszeitung größtmögliche Printanzeigen.
Fertig. Derjenige Makler, der das am besten machte, bekam im Zweifel den begehrten Verkaufsauftrag.
Dr. Langenberg:
Das klingt jetzt so, als hätte der Immobilienscout für Immobilienmakler mehr kaputt gemacht als geholfen?
Jürgen Böhm:
Nein, eigentlich haben wir die Situation des Maklers verbessert. Sie müssen hier unterscheiden zwischen zwei Themengebieten: 
  1. Die Objektakquise bzw. die Akquise von Eigentümer-Kontakten
  2. Den Verkauf einer Immobilie.
Der Immobilienscout hat insbesondere den Verkauf oder die Vermietung einer Immobilie massiv verbessert.
Unser Ziel war es, in kurzer Zeit das maximal verfügbare Angebot auf Immobilienscout24 zur Verfügung zu stellen.
Damit fiel es uns leichter, Interesse, also Klicks, zu generieren, denn für potentielle Mieter und Käufer war es dann einfach. 
Alles, was der Immobilienscout hatte, gab es. Objekte, die nicht inseriert wurden, gab es auch nicht.
Dr. Langenberg:
Sprich, Sie haben mit Immobilienscout24 das Nachfrageproblem der Makler gelöst. 
Jürgen Böhm:
Sagen wir es so, wir haben das Leben des Immobilienmaklers ein Stück weit leichter gemacht. 
Der Immobilienmakler-Beruf ist ein sehr vielschichtiger Beruf und keineswegs so einfach wie er landläufig verstanden wird. Auch ein 1 Mio € Haus in München muss erst einmal verkauft werden. Dabei ist der Verkauf eigentlich nur die Kür. Die Pflicht ist, den Verkaufsauftrag für das 1 Mio € Haus erst einmal zu erhalten.
Die eigentliche Arbeit des Immobilienmaklers liegt: 
  • In der Akquise neuer Verkaufsaufträge 
  • Der marktgerechten Aufbereitung des Immobilienangebotes 
  • Der Auswahl der relevanten Marketing-Instrumente für die richtige Zielgruppe und 
  • natürlich in der Preisfindung.
Diese Arbeit sieht nur niemand. Viele Mieter und Käufer sehen nur den Makler beim Notar, der die Hand aufhält, wenn er seine Provision erhält.
Dabei ist das Geschäftsmodell eines Makler denkbar ungünstig. Als Makler verdienen Sie nur punktuell Geld. 
D.h. keine langfristigen Verträge, die Ihnen jeden Monat Umsatz bescheren und mit denen Sie planen können.
Für den durchschnittlich erfolgreichen Makler kann ein einziger Verkaufsdeal mehr oder weniger pro Jahr das Make-or-Break seines Geschäftes bedeuten. Gerade in Zeiten des Bestellerprinzips und einem de-facto weggebrochenen Vermietgeschäft ist der Immobilienmakler mehr denn je auf Verkäufe angewiesen. 

Neue Eigentümer-Kontakte für Immobilienmakler – Tipps vom Immobilienscout24 Gründer

Dr. Langenberg
Was hat ein Makler heute für Möglichkeiten an Aufträge zu kommen und was würden Sie dem Immobilienmakler von heute empfehlen?
Jürgen Böhm:
Fokus. Fokus. Fokus. Es ist heute sehr einfach den Fokus zu verlieren. Als Immobilienmakler müssen Sie sich um alles kümmern. Sie haben externe Termine, Sie haben ein Büro, vielleicht haben Sie 1-2 Angestellte, Sie bekommen jeden Tag (von ambitionierten Start-Ups) Angebote, wie Sie Ihr Geschäft noch besser und einfacher erledigen können. Sie müssen sich um Akquise kümmern, also um das Brot-und-Butter-Geschäft kümmern und das unter permanentem Zeitdruck, das nächste Geschäft möglichst bald abschließen zu müssen.
Dr. Langenberg
Das hört sich nach sehr viel Arbeit an.
Jürgen Böhm:
Ja, was ein Makler leistet ist beachtlich. Daher sollte er sich auf das fokussieren, was er am besten kann:
  1. Möglichst sichtbar Kompetenz & Professionalität vermitteln 
  2. Mit Eigentümern ins Gespräch kommen und Verkaufsaufträge akquirieren 
  3. Marktgerechte Angebote schaffen und zum Abschluss führen
Für alle anderen Aufgaben gibt es Dienstleister und Tools.
Dr. Langenberg:
Können Sie etwas genauer werden? 
Jürgen Böhm:
Gerne. Der erste Punkte, Kompetenz und Professionalität vermitteln, worum geht es? Eine Immobilie ist in der Regel etwas persönliches, das ein Verkäufer abgeben muss oder möchte. D.h. er möchte es in den Händen einer Person wissen, der er vertraut und von der er überzeugt ist den besten Käufer zu finden.
Wie vermitteln Sie das? 
  • Ein Verkäufer wird Sie als Immobilienmakler immer googlen bevor er Ihnen einen Auftrag gibt. Das, was der Makler im Internet über Sie findet, muss ihn überzeugen. Das fängt bei einer sauberen Homepage an und hört bei guten, authentischen und idealerweise geprüften Bewertungen auf. 
  • Ein Verkäufer ist immer daran interessiert, für sein Objekt den besten Preis zu erzielen. Wenn Sie als Immobilienmakler dem Verkäufer vermitteln können, dass Sie die Zahlen und Preise der Region im Kopf und im Griff haben, dann sind Sie auf gutem Weg den Auftrag zum Verkauf zu erhalten.
Dr. Langenberg:
Wie soll ein Makler diese Themen alle bewerkstelligen?
Jürgen Böhm:
In dem er sich mit guten Partnern zusammentut und sich ein gutes Team baut. Ein paar Beispiele: 
  1. Für das Thema Bewertungen gibt es heute Anbieter, die einem Makler das Thema Online-Reputationsmanagement abnehmen. Bei einem der Anbieter, Makler-Empfehlung.de, habe ich mich z.B. beteiligt, da ich überzeugt bin, dass das ein fundamental wichtiges Thema für Makler ist. 
  2. Für das Thema Online Präsenz und Auffindbarkeit schadet es heute nicht, sich einen technischen Allrounder ins Team zu holen. Das ist mittel- und langfristig effizienter und günstiger, als diese Themen nach außen zu geben. 
  3. Für das Thema Zahlen, Markt und Überblick gibt es heute Datenbanken und Tools, aus denen wir tolle Charts und Analysen ziehen können, die einen Eigentümer sofort ansprechen.
Dr. Langenberg:
Wenn ich Sie richtig verstehe heißt das, dass der moderne Immobilienmakler von heute über moderne digitale Kanäle überzeugt und akquiriert?
Jürgen Böhm:
Ja und Nein. Ja, weil die Online-Welt heute viele Probleme löst, vor denen ein Makler vor 20 Jahren stand. Nein, weil die heutige Online-Welt einen Punkte erreicht hat, der die gute alte Print-Welt zu neuem Glanz erstrahlen lässt.
Dr. Langenberg:
Wie meinen Sie das genau?  
Jürgen Böhm:
Sehen wir uns mal das  Thema Objektakquise an. Insbesondere das Thema Online-Objektakquise. Zu meiner Zeit und in den letzten Jahren spielten Google und Facebook eine ganz entscheidende Rolle. 
Es hieß, Eigentümer-Kontakte und schlussendlich Verkaufsaufträge sammeln Immobilienmakler heute am besten online: Organisch über gute Inhalte und “bezahlt” über Anzeigenkampagnen auf Google und Facebook.
Theoretisch ist das gut und richtig. 
Praktisch sind zwei Dinge passiert: 
  1. Die vermeintlich einfache Welt der Online-Werbung ist heute unglaublich facettenreich, flexibel, dynamisch und damit kompliziert geworden. Theoretisch gibt es alle Möglichkeiten zu werben, praktisch hat ein Immobilienmakler gar nicht die Zeit, sich hier in das Detail hinein zu fräsen mit dem Ergebnis, dass er vermutlich viel Lehrgeld bezahlt. 
  2. Online-Werbung ist, so ehrlich müssen wir sein, teuer geworden. Ich kenne kaum noch “Suchbegriffe” auf Google im Immobilienumfeld, mit denen Sie für unter 1€ oder 1.50€ den Klick einkaufen können. Und wir reden hier über einen Klick. Das ist noch lang kein Verkaufsauftrag. 
Vor dem Hintergrund unregelmäßiger Umsätze ein schweres Unterfangen, hier cashflow-optimiert und cashflow-positiv zu werben.
Hier hat der Makler nur zwei Möglichkeiten. 
  • Entweder sitzt er auf einer soliden Position im Markt mit dicken Werbebudgets und kann diese mit Hilfe einer Spezialagentur effektiv einsetzen. 
  • Hat er diese Budgets jedoch nicht, was in der Regel der Fall ist, dann muss er kreativ werden.
Dr. Langenberg:
Kreativ werden inwiefern? 

Eigentümer-Kontakte sammeln – Immobilienmakler müssen kreativ sein und werden

Jürgen Böhm:
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, auch wenn das aus meinem Mund etwas ironisch klingen mag.
Jeder stürzt sich heute auf Online-Anzeigen bei Google und Facebook, Banner in Portalen und Werbevideos als native Inhalte. Immer weniger Akteure in der Immobilienbranche haben das gute alte Print noch auf der Platte.
Dabei sind es gerade junge, digital verliebte Menschen, die ein gutes Stück Papier, einen Prospekt oder eine Zeitung schätzen.
Dr. Langenberg:
Das müssen Sie mir erklären.
Jürgen Böhm:
Print macht zufriedener: Als Angel-Investor von Tech-Start-Ups habe ich viel gesehen. Eine Sache fällt mir auf. Wir Menschen entwickeln eine latente Unzufriedenheit, dass in der Online-Welt nie Schluss ist. Ein Facebook-Feed hört nie auf. Ein Instagram-Bilder-Stream hat immer neue Bilder parat. Wir haben das Gefühl verloren fertig zu sein, das Gefühl verloren einen Text oder ein Thema abschließend behandelt zu haben. Das ist auf Dauer unbefriedigend.
Print ist authentisch: Durch den quasi kostenfreien Zugang zum Internet für jedermann und unzählige Tools, online Texte zu verfassen, Bilder hochzuladen oder Videos zu veröffentlichen, ist es heute sehr leicht, jede Art von Botschaft zu veröffentlichen. Egal ob sie nun korrekt, politisch sauber, Satire oder einfach nur falsch ist.
Print macht Spaß: Nehmen Sie eine Zeitung oder eine Broschüre. Die sehen Sie sich an, auch wenn Sie gar nichts kaufen wollen oder Sie eigentlich gar nicht vor hatten sie zu lesen. Sie schmökern darin, Sie betrachten die bunten Bilder (und vielleicht weniger den Text). Es gibt keine Probleme mit Connectivity oder langsamen Ladezeiten. Sie können es immer lesen, egal ob im Flugzeug, im Taxi oder beim Warten. Oder ganz entspannt gemeinsam auf der Couch im so genannten Lean-Back-Modus. 
Print lädt zum Kaufen ein: Wie oft ist es ihnen schon so ergangen, dass Sie eigentlich nichts kaufen wollen und beim Schmökern in einer Broschüre, einem Katalog oder in der Zeitung etwas entdeckt und später gekauft haben? Und dieser Mechanismus funktioniert 1:1 so in der Immobilienbranche.
Dr. Langenberg:
Also eine neue Chance für Immobilienmakler?
Jürgen Böhm:
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Eigentümer oder ein Vermieter. Ihr lokaler Immobilienmakler versorgt Sie regelmäßig, aber nicht zu oft, mit qualitativ gut gemachten Flyern, Broschüren, Zeitungen oder Magazinen, die direkt in Ihrem Briefkasten landen.
Im Gegensatz dazu werden Sie online per Email, per Banner-Anzeigen oder auch per Social-Ads von Werbebotschaften ‘bombardiert’, die einmal mehr und einmal weniger passen.
Was glauben Sie, welche Botschaften bleiben Ihnen im Kopf hängen?
Dr. Langenberg:
Wenn ich das jetzt einmal interpretiere, glauben Sie also daran, dass sich ein Immobilienmakler heute wieder viel mehr im Bereich Print engagieren sollte?
Jürgen Böhm:
Ja, genau so sehe ich das. Aber es muss richtig gemacht werden. Der Makler steht unter Druck, Aufträge zu generieren. Online Kanäle sind nur noch schwer ohne Budget und Fachwissen unter Kontrolle zu bekommen. Gleichzeitig steht gedrucktes Papier übersichtlich für Ehrlichkeit, Professionalität und Endlichkeit.
Die Art und Weise, wie ein Makler mit Print heute erfolgreich sein kann, unterscheidet sich stark von vor 20 Jahren. Das fängt bei den Preismodellen an, geht bei den Formaten der Print-Produkte weiter und hört bei den Wegen auf, auf denen der Leser über Print in Kombination mit Online erreicht werden kann. 
Ein schönes Beispiel ist da Ihr Immobilienmagazin, das meiner Vision recht nahe kommt. So ein Produkt mit diesen Leistungen in Punkto Aussenwirkung und Generierung von Eigentümer-Kontakten wäre vor 20 Jahren quasi unvorstellbar und nicht bezahlbar gewesen.
Dr. Langenberg:
Das klingt alles sehr konkret. Heißt das, Sie arbeiten gerade an einer neuen Offensive zu der Revolution, die Sie vor 20 Jahre mit Immobilienscout24 gegen die etablierten Verlagshäuser angestoßen haben?
Jürgen Böhm:
Lassen Sie sich überraschen!
Das Interview führte Dr. Thomas Langenberg, Leiter Marketing und Vertrieb der m2 MediaGroup GmbH